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Grüneberg opus 114 restauriert

Selmsdorf, B. Grüneberg, opus 114Die Orgel der Evang.-Luth. Kirche Selmsdorf erklingt zum 140. Geburtstag in alter Schöheit.

 

 

  •  Die Orgel der Evang.-Luth. Kirche Selmsdorf erklingt zum 140. Geburtstag in alter Schöheit.

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Die Orgel in der Selmsdorfer Kirche wurde 1869 von dem Stettiner Orgelbauer Barnim Grüneberg als opus 114 erbaut. Es grenzt fast an ein Wunder, dass dieses Instrument 140 Jahre nahezu unverändert der Nachwelt erhalten blieb. Leider teilt die Orgel das Schicksal vieler Instrumente aus dieser Zeit, dass die Prospektpfeifen für Kriegszwecke entfernt und durch Zinkpfeifen ersetzt wurden.

Besonders erstaunlich ist die hohe Qualität der damals abgelieferten Arbeit. Dies nicht nur konstruktiv, sondern auch bei der Ausführung der einzelnen Orgelbestandteile. Die Ausführung der Trakturen ist dermaßen exzellent, dass ein Orgelbauer des 21. Jahrhunderts nur staunen kann. Allein diese Tatsache musste für uns Grundlage der restauratorischen Maßnahmen sein.

In einer ersten Arbeitsphase wurden Orgelinneres und Balganlage gründlich gereinigt. Das in Teilen stark verwurmte und beschädigte Pfeifenwerk, Haltevorrichtungen, sowie Pfeifenstöcke wurden ausgebaut, nach und nach gereinigt, repariert und konserviert. Nachdem Holzschädlinge jahrelang schon ganze Arbeit geleistet und vor allem die Holzpfeifen in Ihrer Substanz und Klangstärke enorm geschwächt  haben,

tat der Mensch dann sein übriges und behalf sich wohl in der Not mit Bohrmaschine und Säge, die tiefer gewordenen Pfeifen auf Höhe zu trimmen. Das Schließen von Löchern und Wiedereinsetzen von herausgesägten Ecken war neben dem konsequenten Ausleimen der Holzpfeifen dementsprechend obligatorisch um bei der Intonation keine  bösen Überraschungen zu erleben.

Auch das Metallpfeifenwerk war stark überarbeitungswürdig. Ursprünglich auf Tonlänge geschnitten, wurden viele Metallpfeifen mangels geeigneten Werkzeugs mit der Zange gestimmt, eingeschnitten oder angebohrt und dabei oft übel zugerichtet. Alle Reparaturen konnten dennoch vor Ort erfolgen.

Undichte Stellen am Kirchendach verursachten in der Vergangenheit erhebliche Wasserschäden besonders an den Manualwindladen. Folge war eine beachtliche Anzahl von Durchstechern und Heulern, die sich glücklicherweise auf Bereiche der belederten Schleifenbahnen über der eigentlichen Lade beschränkten. Um die Passgenauigkeit und Leichtläufigkeit der Schleifen zu garantieren, gleichzeitig aber auch Unebenheiten der Schleifenbahnen auszugleichen, wurden auf Stockunterseiten und Schleifenbahnen konsequent Filzringe geklebt und die Stöcke neu aufgepasst.

Die Balganlage auf dem Dachboden der Kirche wurde entrümpelt, gereinigt, abgedichtet und gegen Holzschädlinge konserviert. Der Orgelwind kann nun bei Bedarf auch wieder mit Körperkraft produziert werden. Der vorhandene Motor wurde zum Schutz vor äußeren Einflüssen in einen Motorkasten gestellt, da sich einerseits das Dach der Kirche in einem schlechten Zustand befindet, andererseits der Dachboden auch Herberge mindestens eines Turmfalken ist.

Im Bereich des Spieltisches war erheblicher Handlungsbedarf. Die Pedal-, wie auch die Manualklaviaturen waren stark ausgespielt. Sie wurden überarbeitet und neu gelagert. Weiterhin waren viele optische Mängel zu korrigieren, unter anderem zum Beispiel das Entfernen einer klobigen Schalter-Steckdosen-Kombination, die an die Staffelei angeschraubt wurde.

Für die behutsame farbliche Überarbeitung und Auffrischung des Gehäuses sorgte ein ortsansässiges Team aus Malern und Restauratoren. Sie hatten wie auch wir ihre Schwierigkeiten mit der extremen Luftfeuchtigkeit im Kirchenraum. Ein sehr langsames Trocknen der Anstriche verzögerte die Arbeiten.

Nachdem alle Gehäuseteile behandelt waren und das Malergerüst abgebaut war, konnten wir mit dem Einbau des neuen Zinn-Blei-Prospektes beginnen, der den Mensuren entsprechend in unserem Haus originalgetreu nachgebaut wurde und die bisherigen, nicht originalen Zink-Pfeifen ersetzt. Der Prospekt setzt sich aus Pfeifen des Principal 8’ und der Octave 4’ des Hauptwerks zusammen.

Mit diesen beiden Registern begann auch die behutsame Intonation der klanglich sehr interessanten Orgel. Beispielsweise ist ein Bordun 16’ im Manual bei Instrumenten dieser Größe eher selten anzutreffen.

Umso schöner ist es, dass der Verfall dieses Instrumentes gestoppt und ein bemerkenswertes Zeitzeugnis damaliger Handwerkskunst der Nachwelt bewahrt werden konnte.

C. Miethe

 

  • Auszug aus dem Abnahmegutachten…

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„ […] Das Restaurierungsergebnis ist sehr überzeugend. […] Mit Sorgfalt haben sich die Intonateure dem Klangwerk gewidmet. Die holzwurm-geschädigten Pfeifen konnten alle erhalten werden und lassen nichts von den Intonationsschwierigkeiten ahnen. Die Registerpalette dieser Orgel ist beeindruckend. Sie einzeln und in verschiedensten Kombinationen zu spielen, wird bei vielen begabten Organisten größte Freude hervorrufen.
Die Orgelbaufirma Sauer hat mit Sachverstand und Sorgfalt alle Arbeiten in bestmöglicher Weise ausgeführt. […] „

Friedrich Drese, Orgelsachverständiger in der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs

 

 

 

  • Orgelbeschreibung & Disposition:

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  • Erbauer:                    B. Grüneberg / Stettin
  • Baujahr:                    1869
  • Register:                   II/13
  • Windladensystem:    Schleiflade
  • Traktur:                     mechanisch
  • Gehäuse:                 original

Haupwerk: C – c“‘

1. Bordun 16.‘
2. Principal 8′
3. Hohlflöte 8′
4. Octave 4′
5. Flöte 4′
6. Mixtur 3fach

Oberwerk: C – c“‘

7. Geigen-Principal 8′
8. Gedackt 8′
9. Salicional 8′
10. Flauto amabile 4′

Pedal: C – c‘

11. Subbaß 16′
12. Octavbaß 8′
13. Octave 4′

Weitere Registerzüge:

Manualcoppel, Pedalcoppel, Calcantenglocke